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Workshop VI: Zukunftsbilder der Sicherheit

„Sicherheit 2025“

Am 18. und 19. April 2012 fand der sechste Workshop des Forschungsforums Öffentliche Sicherheit statt. Die Veranstaltung war in die Konferenz „BMBF-Innovationsforum ‚Zivile Sicherheit‘ – Sicherheit in einer offenen Gesellschaft“ eingebettet, mit der das Forschungsministerium der in den letzten Jahren entstandenen Community erstmals eine eigene Plattform zur Verfügung stellte. Das Interesse war so groß, dass die Konferenz bereits wenige Wochen nach der Einladung mit 650 Teilnehmerinnen und Teilnehmern überbucht war. Auch der Workshop „Sicherheit 2025“ war mit bis zu 150 Teilnehmern sehr gut besucht.

Das Forschungsforum, das im vergangenen Jahr vom Ministerium eingeladen wurde, als Partner an der Konzeption mitzuwirken und den sechsten Workshop im Rahmen der Konferenz abzuhalten, hatte diese Herausforderungen gerne angenommen. In der Vorbereitungsphase war der Gedanke leitend, die Befunde aus den letzten zweieinhalb Jahren interdisziplinärer Auseinandersetzung mit dem Thema Sicherheit so zu präsentieren, dass sie zur Diskussion und zum Weiterdenken anregen würden. Es wurde wie immer Wert darauf gelegt, dass das Forschungsforum sein Markenzeichen – Interdisziplinarität und Dialog zwischen Wissenschaft und Politik – beibehalten würde. Auf dem Workshopkonzept aufbauend präsentierte das Forschungsforum in eigenständigen Modulen vier Zukunftsszenarien der Anwendungsfelder „IT Sicherheit“, „Urbane Sicherheit“, „Flughafensicherheit“ und „Krisenkommunikation“. Die Abschlussdiskussion fragte nach den Bedingungen, die dazu führen, dass sich das Bedürfnis nach und der Stellenwert von Sicherheit als Kulturmerkmal in einer Gesellschaft verändert.

Der Zukunftsforscher und wissenschaftliche Direktor der Z-Punkt GmbH Dr. Karlheinz Steinmüller präsentierte zu Beginn eines jeden Moduls ein von ihm verfasstes Szenario. Unterstützt wurde die Präsentation durch Illustrationen von Stefanie Bokeloh. Die anschließende wissenschaftliche Reflexion und ein politisches bzw. behördliches Statement gaben den Workshop-Teilnehmern Impulse, um in eine lebhafte Diskussion einzusteigen.

Im Mittelpunkt des ersten Szenarios „Banken vier Tage offline“ stand die Forderung nach einem veränderten Umgang mit systemischen Risiken. Zum einen wurde hier eine ehrliche Aussage der Techniker und Ingenieure gefordert, dass systemische Risiken letztlich nicht kontrollierbar sind (Prof. Dr.-Ing J. Schiller). Und zum zweiten wurde die Ehrlichkeit von Politik und Medien gefordert, diesen Umstand in die gesellschafts-politische Debatte einfließen zu lassen und daraus speziell für den Bankensektor politische Konsequenzen zu ziehen (T. Losse-Müller). In der Konsequenz müssen Techniken zur Reduktion systemischer Risiken entwickelt und konstruktive (technische aber auch nicht-technische) Formen der Krisenbewältigung gefunden werden. Technologien zur Reduktion systemischer Risiken könnten in einer ähnlichen Weise zu einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte werden wie einst die Umwelttechnologie.

Das zweite Szenario „Die sichere Stadt“ konzentrierte sich auf die Frage des Umgangs mit Kriminalität. Prof. Dr. T. Feltes legte dar, dass Kriminalität nicht mit (einer Steigerung von) repressiven Mitteln oder durch symbolische Politik, sondern nur als soziales Problem bewältigt werden kann. Die angespannte finanzielle Lage in den Ländern und Kommunen schränkt die Handlungsspielräume der Politik derzeit massiv ein, so R. Juhnke, MdL. Prof. Feltes gab allerdings zu bedenken, dass die Kosten repressiver Maßnahmen bei ihrem gleichzeitig geringen Erfolg unterschätzt würden.

Im dritten Szenario „Krisenkommunikation unter dem Gefrierpunkt“ wurde deutlich, dass auch ein nur 13 Jahre in die Zukunft gerichteter Blick mit hoher Unsicherheit behaftet ist. Beispielsweise sei schwer abzusehen, wie sich der demographische Wandel auf das ehrenamtliche Engagement bei Feuerwehren und Hilfsorganisationen auswirken wird. Prof. Dr. G. Rusch warb für neue Formen der Partizipation, wie beispielsweise die „Sicherheitsarena“. Sie schaffe die Möglichkeit, bereits im Vorfeld in einer Region gemeinsam zu lernen und Kompetenzen zu identifizieren. Im Krisenfall können diese zuvor etablierten Strukturen dann effizient helfen, was durch den Einsatz von social media noch gesteigert werden kann. Abteilungsleiter N. Seitz (BMI) zeigte sich insbesondere an der Frage interessiert, wie unterschiedliche Bevölkerungsgruppen (ethnisch, schichtenspezifisch, …) angesprochen werden können.

Das vierte Szenario „Erlebnis Flughafen“ warb für eine Kultur der Unsicherheit im Umgang mit zukünftigen Risiken. Gerade die Entwicklungen der Flughafensicherheit nach dem 11. September zeigten deutlich, dass der Wunsch „alle“ Unsicherheiten zu beseitigen mittlerweile zu einem massiven Hemmnis in Bezug auf die Abfertigung und den Reisekomfort geworden sei, so Prof. Dr. W. Bonß. Bestimmungen wie das Flüssigkeitsverbot oder das Aussortieren herrenloser Koffer aus dem Gepäckraum der Flugzeuge seien zwecklose und irrationale Sicherheitsvorkehrungen. Die Forderung sie wieder zurückzunehmen, würde aber ein Politiker wohl kaum überstehen, denn Symbolpolitik spielt in einer immer unüberschaubareren Welt eine immer größere Rolle. Durch die Interessen der Sicherheitswirtschaft sind viele Sicherheitsfragen eben auch marktgetrieben; hier muss Politik wieder Handlungsfähigkeit herstellen (G. Reichenbach, MdB).

Prof. Dr. C. Daase machte in seinem Vortrag zur Abschlussdiskussion unter dem Titel „Sicherheitskultur 2025“ deutlich, dass ohne einen Diskurs über die Werte und Überzeugungen, die darüber entscheiden, was als eine Gefahr anzusehen und wie damit umzugehen ist, die Gesellschaft Opfer eines entgrenzten Sicherheitsstrebens wird, angetrieben gleichermaßen von Interessen des Marktes und einem grenzenlosen Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung. Denn: „Wer relative Sicherheit besitzt, möchte absolute Sicherheit erhalten.“ Ein solcher Weg wäre nicht nur nicht bezahlbar, sondern würde angesichts der allseits bekannten Feststellung, dass es keine absolute Sicherheit geben kann, an seinen selbst hervorgerufenen Sicherheitserwartungen scheitern und damit in der Bevölkerung den Unmut hervorrufen, dem Politik durch immerwährende Sicherheitsbemühungen zu entgehen versuchte. Daase forderte einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs, um die Vorstellung einer „demokratischen Sicherheitspolitik“ aushandeln zu können.

In der abschließenden Diskussion mit den Bundestagsabgeordneten Dr. H.-P. Uhl (CSU) und F. Tempel (Die Linke) wurde der Befund einer extrem hohen Sicherheitserwartung durch Bevölkerung und Medien durch eigene Erfahrung bestätigt. Allerdings herrschte Unsicherheit und Uneinigkeit darüber, wie damit umzugehen sei. Auch in Fragen wie „Sind die Drogendealer an den U-Bahnhöfen das Problem  - oder die dahinter stehenden sozialen Probleme?“ wurden unterschiedliche Positionen deutlich. Einig war man sich allerdings darin, dass gerade die Arbeit der Innenpolitiker stark Ereignis-getrieben ist und dadurch einen rationaleren Umgang mit Risiken und Sicherheit nahezu unmöglich macht.

 

Marie-Luise Beck, Dr. Lars Gerhold