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Anpassen statt abschotten: Resilienz ist das Sicherheitskonzept des 21. Jahrhunderts

News vom 13.05.2014

Moderne Infrastrukturen lassen sich vor Naturkatastrophen, Terrorismus, Cyber-Angriffen oder Unfällen nicht vollständig abschirmen. acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften sieht deshalb die Resilienz als das Sicherheitskonzept der Zukunft: Die schnelle Anpassung löst die Abschottung durch starre Schutzmechanismen ab. Anlässlich des BMBF Innovationsforums Zivile Sicherheit am 8. Mai in Berlin spricht sich acatech dafür aus, dass Resilienz zu einem Grundprinzip der Entwicklung und Planung technischer Infrastrukturen wird. Auch die Gesellschaft muss sich mit Dialogveranstaltungen und Katastrophenschutzübungen auf das Unvorhersehbare vorbereiten. Innerhalb des Projektes wurde das Forschungsforum mit der Organisation, Durchführung und Auswertung eines Expertenworkshops zum Thema "Resilienz - Nationale Perspektiven" beauftragt. Die Dokumentation dieses Expertenworkshops findet sich in der acatech-STUDIE wieder. Die Studie kann hier heruntergeladen werden.

Bild: acatech 

Die starre Abhängigkeit des europäischen Energiesystems von Gaslieferungen zeigt, wie wichtig die Anpassungsfähigkeit kritischer Infrastrukturen an unvorhergesehene Ereignisse ist. Resilienz eröffnet in politischen Krisen Handlungsspielräume. Bei Naturkatastrophen oder auch Terroranschlägen rettet sie Menschenleben.

Die Resilienz kritischer Infrastrukturen wird immer wichtiger, weil diese immer vernetzter arbeiten und deshalb die Schwachstellen zunehmen. Bereits kleine, zunächst harmlos wirkende Störungen können in einer Kettenreaktion zu gravierenden Schäden am ganzen System führen. Ein vollständiger Schutz vor Naturkatastrophen, Unfällen oder auch Terroranschlägen als alleiniges Ziel greift deshalb zu kurz. „Wir müssen Sicherheit neu denken. Nach dem Prinzip ‚Biegen statt Brechen‘ müssen moderne Infrastrukturen lernen, das Unvorhersehbare besser zu verkraften“, sagte Klaus Thoma, Institutsleiter des Fraunhofer EMI und Leiter des Resilienz-Projekts der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. „Resilienz muss zu einem Grundprinzip der Entwicklung und Planung werden. Wenn wir auch in Zukunft Menschen und Infrastrukturen schützen wollen, müssen wir sowohl die Prävention als auch adäquate Krisenreaktion und sinnvolles Lernen aus vergangenen Ereignissen in unserer Gesellschaft verankern.“

Die von acatech vorgelegte Position „Resilien-Tech: Resilience-by-Design“ zielt auf eine Neudefinition von Sicherheit ab: Kritische Infrastrukturen funktionieren auch bei unerwarteten Störungen zuverlässig oder kehren möglichst schnell in einen funktionsfähigen Zustand zurück. Resilienz ist kein statischer Zustand, sondern eine Eigenschaft lernfähiger, beweglicher, adaptiver Systeme. Zu einem ganzheitlichen Sicherheitskonzept gehören ebenso resiliente Gesellschaften. Klaus Thoma: „Auch die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf das Unvorhersehbare vorbereiten, damit wir die menschlichen, ökonomischen und ökologischen Schäden so gering wie möglich halten.“ Dialogveranstaltungen und Katastrophenschutzübungen sind deshalb ebenso wichtig wie die technische Seite der Resilienz.

Das Konzept der Resilienz kann in fünf Phasen unterteilt werden:

1. Prepare: Frühwarnsysteme dienen der kontinuierlichen Einschätzung von Risiken und der Vorbereitung auf mögliche Katastrophen.

2. Prevent: Wenn möglich, werden Gefahren frühzeitig erkannt und Katastrophen durch Reduzierung der Risikofaktoren effektiv verhindert.

3. Protect: Im Falle einer Katastrophe sind die Schutzsysteme voll funktionsfähig und minimieren die negativen Auswirkungen des Ereignisses.

4. Respond: Im Ernstfall setzt eine schnelle und funktionierende Katastrophenhilfe ein, die das System aufrechterhält.

5. Recover: Nach der Katastrophe kann sich das System erholen und ist fähig, aus den vergangenen Ereignissen zu lernen.

Deutschland braucht eine nationale Resilienzstrategie, die dieses Sicherheitskonzept von Anfang an in Forschung und Entwicklung integriert. Nur auf dieser Basis könne „Resilience-by-design“ entstehen. Denn losgelöste Sicherheitstechnologien und -konzepte, die nur in bestimmten Einzelfällen greifen, reichen nicht mehr aus. Resiliente Energienetze können beispielsweise auch bei unvorhersehbaren Extremwetterverhältnissen, bei Terroranschlägen oder politischen Krisen die Grundversorgung aufrechterhalten.

Die Resilienz ist auch in der Wirtschaft von besonderer Relevanz, denn Unternehmen betreiben rund 80 Prozent der kritischen Infrastrukturen in Deutschland. Angesichts der immer komplexer werdenden Wertschöpfungsnetzwerke nehmen die Schwachstellen und Angriffspunkte zu. Auch die Auswirkungen widriger Ereignisse betreffen nicht mehr allein einzelne Unternehmen – Resilienz ist deshalb systemkritisch. Die Akademie empfiehlt Anreize und auch Meldepflichten für Unternehmen, damit die Resilienz mit der rasch fortschreitenden Vernetzung mithält. acatech konstatiert, dass Länder wie die USA, Großbritannien oder die Schweiz beim Paradigmenwechsel hin zur Resilienz als Sicherheitskonzept weiter sind als Deutschland. In den USA hat die Regierung beispielsweise eine politische Richtlinie zum Thema „Critical Infrastructure Security and Resilience“ eingeführt. acatech empfiehlt, dass auch hierzulande einheitliche Sicherheitsstrategien und Regierungsprogramme im Sinne der Resilienz entwickelt werden.