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App zur Erfassung von Angst in der Corona-Pandemie

07.09.2021

ESA_labeco

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Alltägliche Abläufe wie der Einkauf im Supermarkt oder die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln haben seit Beginn der Corona-Pandemie für Teile der Bevölkerung einen unschönen Beigeschmack. So schwingt bei dem einen oder anderen diese Angst mit, sich unter Umständen an der Kasse oder im geschlossenen Abteil mit dem Coronavirus anzustecken – auch wenn alle Maßnahmen ordnungsgemäß eingehalten werden. Doch wie spiegelt sich diese situative Risikowahrnehmung in unserem Verhalten wider? Und wie kann dies möglichst akkurat gemessen werden? Die methodische Antwort hierauf bietet die Mobile Experience Sampling Method (MESM) auf Grundlage derer das LaBeCo-Projekt und der Frauenhofer FOKUS eine App zur Erfassung von Angst in der Corona-Pandemie entwickelt haben.

Die Mobile Experience Sampling Method (MESM) zielt darauf ab, Dimensionen wie Emotionen, Kognitionen und Verhalten unmittelbar zu messen. Gemeinsam mit dem Fraunhofer FOKUS hat das LaBeCo-Team eine App entwickelt, die situationsspezifisch diese Dimensionen abfragt. Die entwickelte App ermöglicht es, unter anderem, Fragen zur Angst einer Coronainfektion oder die subjektive Infektionswahrscheinlichkeit genau in der Situation zu erfassen, in welcher sich die oder der Befragte befindet, zum Beispiel beim Einkauf oder auch allein Zuhause. Eine erste Datenerhebung mit Hilfe der App wurde im Sommer durchgeführt, deren Ergebnisse Sebastian Sterl nun auf der European Sociological Association dem internationalen Fachpublikum vorgestellt hat. Es zeigte sich exemplarisch für eine Person, dass die Infektionsangst stieg, wenn unbekannte Personen ohne Maske und Abstand interagierten. Neben der Präsentation erster Ergebnisse, gab Herr Sterl auch einen detaillierten Einblick in die Methode, welche auf großes Interesse in der wissenschaftlichen Community stieß.

Die psychosozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie, wie zum Beispiel die oben beschriebene veränderte Risikowahrnehmung, haben seit Beginn der Pandemie eine Vielzahl an Wissenschaftler:innen untersucht. Die Masse an wissenschaftlichen Erkenntnissen, die bei diesen Studien generiert wurden, ist in Teilen für Wissenschaftler:innen nur schwer zu durchdringen. Damit sich diese Vielzahl an Studien besser strukturieren lässt und so auch einfacher für politische Entscheider:innen zugänglich ist, werden gegenwärtig im LaBeCo-Projekt mittels Meta-Analysen aggregierte Aussagen über psychosoziale Dimensionen erarbeitet. Dabei fokussieren sich die Studien hauptsächlich auf Themen wie die mentale Gesundheit, Lebensqualität, soziale Unterstützung und Risikowahrnehmung. Die Pandemie und damit verbundenen Maßnahmen haben laut vorläufigen Ergebnissen einen großen Einfluss auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden. Jedoch schwächen weitere Studien den starken und lang-anhaltenden Effekt der sinkenden mentalen Gesundheit im Allgemeinen ab. Zudem sind während der Pandemie verschiedene Formen häuslicher Gewalt angestiegen und Eltern, insbesondere Mütter und Alleinerziehende, leiden unter höherem Stress. Positiv steht die Pandemie mit der Hilfsbereitschaft und der sozialen Unterstützung in Zusammenhang. Auch diese Erkenntnisse wurden auf der ESA dem internationalen Fachpublikum durch Herrn Sterl vorgestellt.

Das die Masse an wissenschaftlichen Erkenntnissen auch für Mitglieder der Krisenstäbe nur schwer zu durchdringen ist, zeigt unter anderem auch der ESA-Vortrag von Nils Lüttschwager. In seiner Studie konnte Herr Lüttschwager zeigen, dass die Einbindung sozialwissenschaftlicher Studien psychosozialer Lagebilder in das kommunale Krisenmanagement eine Rolle für ein erfolgreiches Krisenmanagement und -kommunikation spielt. Jedoch werden gemäß den Untersuchungen im LaBeCo-Projekt wissenschaftliche Studien in den untersuchten Institutionen eher selten herangezogen. Meist wird das psychosoziale Lagebild, wie Stimmungen in der Bevölkerung, durch bekannte Kanäle erfasst (bspw. durch Beobachtung von sozialen Medien).

Die Vorträge wurden im Rahmen der diesjährigen ESA-Konferenz vom 31.08. bis 3.9.2021 gehalten und sind entstanden unter Co-Autoren Lars Gerhold, Hannes Restel (Fraunhofer FOKUS) und Eridy Lukau (Fraunhofer FOKUS).